.... stammt aus dem Saarland!
Das wollte ich schon immer mal posten, jüngst hatte ich auf ner langweiligen Bahnfahrt endlich mal Zeit, den Artikel abzutippen.
Bernhard.
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I DIT IT MY WAY – Zum Tode von Frank Sinatra
von Oskar Lafontaine (1998)
(erschienen in: DER SPIEGEL/Jahreschronik 1998, S. 130-134. Oskar Lafontaine war damals Bundesvorsitzender der SPD und 1985-1998 saarländischer Ministerpräsident)
Der unnachahmliche Klang einer unverwechselbaren Stimme. Das Schwachwerden der schönsten Frauen Hollywoods vor einem jugendhaften Charme. Das Talent zum größten Entertainer Amerikas. Der durch handfeste Skandale und harte Saufgelage redlich erworbene schlechte Ruf. Für mich waren das die Begleiterscheinungen auf Frankieboys Höllenfahrt durchs Leben. Auf dem Weg vom armen Einwandererkind zum Multimullionär hat er den Kontakt zur Mafia nicht gescheut. Und zu guter Letzt schmachtete er im Weißen Haus in Nancy Reagans Ohr – „ein kastriertes Geschöpf der amerikanischen Rechten“, so der Schriftsteller Gore Vidal.
Wenn einer 1915 in Hoboken, dem Hinterhof New Yorks auf der falschen Seite des Hudson River, als Sohn eines sizilianischen Preisboxers das Licht der Welt erblickt, wnn der sich dann auch noch dazu berufen fühlt, sich als Entertainer ein Image und ein Vermögen in jenen Glitzerpalästen zu machen, die den Paten gehören, wie sollte der es denn anstellen, mit der Mafia nicht in Berührung zu kommen? Als Vierzehnjähriger verdiente sich Frank ein Taschengeld bei einer Lokalzeitung und war als Boxer aktiv. Diese beiden frühen Neigungen, den Journalismus und das Boxen, sollte er später auf eigenwillige Art miteinander verbinden: Er verprügelte Journalisten, von denen er sich verleumdet fühlte, wann immer ihm einer vor die Fäuste lief.
Durchgesetzt haber hat er sich mit der Musikalität seiner Stimme. Anfang der Vierziger Jahre war er der gefeierte Frontmann der besten weißen Swing-Bands. Auch hervorragende schwarze Jazzmusiker haben seine Songs begleitet. Ein Leben lang hat er sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen eingesetzt. Der Swing, eine Spielart des Jazz, hat seine musikalische Ausdrucksweise unwiderruflich geprägt: Die Phrasierung, das Timing, die Intonation, der Rhythmus, alles von den Jazzinstrumentalisten gelernt, blieben Markenzeichen seiner Songs und verliehen selbst seinen Schnulzen so etwas wie eine höhere musikalische Weihe.
Gewiß, die weißen Big Bands unter Benny Goodman oder Glenn Miller haben den Jazz, den man nur in den schwarzen Ghettos kannte, verflacht, um die ungewöhnten Töne dem Harmonieempfinden weißer Ohren näherzubringen. Dadurch wurden Jazzmelodien singbar und erreichten die Massen. Verflachung und Kommerzialisierung waren der Preis, den die schwarze Musik für ihren Eintritt in die Gesellschaft zahlen mußte. Durch seine riesige Popularität hat der junge Swing-Sänger Sinatra kräftig dazu beigetragen, daß die Musik der Schwarzen zu einem allgemein anerkannten amerikanischen Kulturgut werden konnte.
So steil Sinatras Stern aufgegangen war, so steil fiel er nach einem Jahrzehnt wieder vom Himmel herab. An Ava Gardner, seiner zweiten Ehefrau, soll Frankieboy zerbrochen sein. Die wunderschöne Ava, so konnte ich es als Gymnasiast in den Klatschspalten lesen, habe einen anderen geliebt und ihn vor die Tür gesetzt. Und der Whisky, in dem er seinen Kummer ersäufte, habe seine Stimme ruiniert. Das klang umso plausibler, als so viel Tragik gut in die Legende des singenden Charmeur paßte: Recht geschieht’s dem Herzensbrecher, wenn er selber an einer Schönen zerbricht. Wie bequem war diese Version auch für Amerika, half sie doch dem Land, auf romantische Art über einen peinlichen Abschnitt seiner Nachkriegspolitik hinwegzusehen. In Wirklichkeit hat es prosaischere Gründe für den Absturz des Frank Sinatra gegeben, vor Avas Zeit.
Er war – auf seine Art – ein politischer Mensch und engagierte sich zunächst, man glaubt es heute kaum noch, auf Seiten der amerikanischen Linken. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm er den spanischen Diktator Franco unter öffentlichen Beschuß, wurde Vizepräsident von Hollywoods unabhängigem Bürgerkomitee für die Künste, Wissenschaften und freien Berufe. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität stellte er sich den von Senator McCarthy angeführten Hexenjägern in die Quere, warb mit einem Dokumentarfilm und einem prämierten Song für Meinungsfreiheit und Toleranz.
Ungeachtet des Schadens für seine Karriere unterstützte er 1948 den Präsidentschaftskandidaten Henry Wallace gegen den McCarthyisten Harry S. Truman. McCarthy und seine „patriotischen“ Handlanger vom FBI und der Hearst-Presse, die in der Beliebtheit des Sängers eine Gefahr für ihren Kreuzzug witterten, schlugen zurück. Der Kongreßausschuß für unamerikanische Umtriebe setzte seinen Film auf den Kommunisten-Index. J. Edgar Hoover vom FBI und die Bundesdrogenbehörde, unterstützt von der Rechtspresse, ließen fortan nichts unversucht, um Sinatra als Spion, verkappten Kommunisten und gewalttätigen Mafioso anzuschwärzen. Seine Radioshow wurde gekündigt, ebenso seine Verträge mit Columbia Records und den MGM-Filmstudios. Mit 34 Jahren schien Frank Sinatra erledigt.
Beim Boxen lernt man allerdings das Aufstehen nach einem Niederschlag: Sein Comeback als Schauspieler wenige Jahre später -–er wirkte in mehr als 60 Filmem mit – hat nicht nur mich beeindruckt. Neben Monty Clift erspielte er sich einen Oscar in dem Antikriegsfilm „Verdammt in alle Ewigkeit“. Auch als Sänger gelangen ihm immer wieder Welt-Hits.
Und von der Politik wollte er immer noch nicht lassen. Seinen Freund J.F. Kennedy sang er ins Weiße Haus. Als Kennedy, einmal gewählt, ihn abrupt fallenließ aus Angst, die Mafia-Gerüchte um Sinatra könnten den präsidialen Glanz beflecken, war das die Enttäuschung seines Lebens. Verbittert lief er zu den Republikanern über. Daß nicht Kennedy, sondern Nixon der Präsident war, der dem politisch Mißgiebigen von einst gleichsam zur Wiedergutmachung das Weiße Haus öffnete, mutet wie eine Ironie der Geschichte an. So war es nur folgerichtig, daß hernach ausgerechnet der Kandidat der „Moral Majority“, Ronald Reagan, alles Mafia-Gerede endgültig in den Wind schlug und seinen Wahlhelfer Sinatra in den Rang eines Stammgastes erhob.
Während Frank Sinatra Anfang der Sechziger Jahre von links nach rechts die politischen Seiten wechselte, drehte sich der musikalische Zeitgeist in eine andere Richtung. Der Siegeszug der Rock- und Folk-Musik ließ Frankieboy, den ersten Pop-Star, der Teenager zum Kreischen gebracht hatte, schon im besten Mannesalter zum „alten Opa“ werden. Wir, die Nachkriegsjugend, erkoren unsere Idole aus der eigenen Generation: Elvis Presley, Bob Dylan, die Beatles, die Stones...
Das heißt nicht, daß Frank Sinatra keinen Erfolg mehr gehabt hätte, im Gegenteil. Er schaffte das, was vielen der jüngeren Pop-Größen so offensichtlich schwerfällt: mit dem Altwerden klarzukommen, im Guten wie im Schlechten.
Sein Privatleben gestaltete er mehr und mehr als endlose Herrenparty – mit Ausflügen oder Ausfällen ins Reich der Weiblichkeit. Und von den Bühnen der Casinos unterhielt er ein Publikum, das mit ihm in die Jahre gekommen war – ein rundlich gewordener Gentleman-Sänger im Smoking, mit Fliege und weißgrauem Toupet.
Ein paar Jahre vor seinem Tod haben ihm sogar die lebenden Denkmäler der musikalischen Gegenkultur – Bob Dylan oder Bruce Springsteen – ihre Reverenz erwiesen. Sie besaßen Gespür genug, um ihn über alle Gegensätze hinweg als Großmeister der Zunft anzuerkennen. In den Augen der Welt galt er da schon längst als Inbegriff des amerikanischen Songs, als dessen wohl typischster Interpret.
Und das war er in der Tat – auf seine Art.
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FRANCIS ALBERT SINATRA
12.12.1915 - 14.5.1998
THERE WILL NEVER BE ANOTHER YOU
http://www.deutsche-sinatra-society.de
My Kind Of People!