In den Augen der meisten Kritiker und Fans gab es während Sinatras Karriere (wie könnte es anders sein während einer 60-Jährigen Karriere) Personen, die unseren Sänger künstlerisch oftmals wenig zuträglich waren. Die beiden Symbole für dieses Phänomen sind meiner Einschätzung nach der Columbia-Produzent Mitch Miller, der beinahe das Ende unseres Sängers bedeutet hätte sowie der Arrangeur Ernie Freeman, der für unseren Sinatra von etwa Mitte bis Ende der 60er Jahre äußerst grobe bis primitive Arrangements schrieb. Ich könnte an dieser Stelle selbstverständlich auch einen gewissen H.B. Barnum aufzählen, der m.E. nach das katastrophalste Arrangement der gesamten Karriere von Sinatra schrieb, da sich sein Wirken dann allerdings auch wirklich nur auf einen einzigen Song beschränkte, dürfte das dem Thema aber wahrscheinlich nicht ganz gerecht werden.
Um diese beiden Personen soll sich also unsere Diskussion drehen; Ihre Arbeit, Ihr Wirken auf Sinatra und wie sie im Kontext von Sinatras Gesamtschaffen heute dastehen.
Ich finde diese Seite von Sinatras Karriere äußerst spannend, besonders wenn es um die Arbeit eines Mitch Millers geht. Davon abgesehen, dass er Sinatras Karriere beinahe zerstört hatte, finde ich die Songs, welche er ihn immer wieder aufnehmen ließ, zu einem Großeteil immer wieder urkomisch. Hierzu empfehle ich euch den Song "Feet Of Clay", der mich mit seiner unfreiwilligen Komik vor Lachen immer wieder rotieren lässt
Ich wünsche euch viel Spaß bei der Wahl zwischen Pest und Cholera
------------------------- There's a smile on my face for the whole human race!
Mitch Miller war für Columbia Records ein Glücksfall, und auch für die damals am Label beteiligten Künstler. Er hat vielen von ihnen zum Karrieredurchbruch verholfen (bestes Beispiel dafür ist die große Rosemary Clooney), und hatte eine gute Nase für "das was die Leute hören wollen/was sich gut verkauft", also eine Idealbesetzung für eine Plattenfirma. Gerne vergessen wird zudem, daß Mitch Miller nicht "nur" Produzent, sondern auch selbst Musiker (Oboist, Hornist, Klarinettist, Saxophonist) war, z.B. bei einigen klasse Columbia-Aufnahmen von Sinatra als Musiker mitgewirkt hat (knapp zwei Dutzend - nur als Beispiel: Cole Porters "Why Shouldn't I?" und Sinatras Evergreen "Try A Little Tenderness"). Miller war als Produzent hart: Seine Künstler sollten nicht mit Kunstwerken glänzen, sondern Platten verkaufen. Illegitim ist diese Strategie sicher nicht gewesen. Aber Sinatra wollte sie irgendwann nicht mehr mitmachen, was für ihn (also FS) sicher klug war.
Ernie Freemans Arrangements für Sinatra mögen nicht jedermans Geschmack sein (ich selbst halte sie für durchweg unterdurchschnittlich und meist absolut unpassend für FS), aber deswegen den Arrangeur als solchen im ganzen so abzuqualifizieren, wie hier geschehen, geht natürlich nicht an. Nur mal ein Beispiel - Freeman gewann einen Grammy 1970 für sein TOLLES Arrangement für Simon & Garfunkel's "Bridge Over Troubled Water", ein Meilenstein der Popgeschichte! Und nicht zu vergessen - Freeman orchestrierte "Strangers In The Night" (ebenfalls Grammy-gekrönt). Den Song muß man nicht mögen, aber er war erfolgreich und brachte FS, kommerziell gesehen, mitten im Rockzeitalter wieder an die Spitze. Und "That's Life", ein anderer Million-Seller für FS, war ebenfalls von Freeman orchestriert.
Soweit meine Einschätzung zu beiden - auf den, pardon, mehr als platten "wer ist schlimmer"-Abstimmungsthread brauch ich da nicht mehr einzugehen und gebe daher auch keine Stimme ab. ("Niveau heben" kann man ja leider nirgendwo anklicken).
Sachlicher begründen kann ich die Enthaltung aber auch: Mitch Miller hatte Ende 40er/Anfang 50er den stimmlich besten FS unter Vertrag, hat ihn aber konsequent in die Kommerzmasche eingespannt bzw. einspannen wollen. Das war aus heutiger Sicht ein grober Fehler - aus damaliger Sicht war es logisch. Ernie Freeman wollte FS einen "modernen" Sound verpassen in den 60ern, das ist kommerziell auch bestens gelungen, künstlerisch aber haben seine Charts FS eher unterfordert. Aus heutiger Sicht sicher auch ein Fehler... aber aus damaliger Sicht konnte FS gar nichts besseres passieren.
Bernhard.
----- "Alte Wege, die wir wandern, werden neue Wege sein unser Denkmal ist den andern dann ein Kilometerstein"
FRANCIS ALBERT SINATRA 12.12.1915 - 14.5.1998 THERE WILL NEVER BE ANOTHER YOU
Bevor ich zum See runter gehe und meine Köder auslege, habe ich noch eine Frage: Wo lebt Mitch Miller heute? Der müsste doch schon Mitte 90 sein, nicht wahr? Interessant ist übrigens auch, dass er den berühmten Titelsong zum Film "Die Brücke am Kwai" produzierte, soweit ich weiß.
P.S. Antwortest du jetzt auf jeden meiner Posts mit "Niveaulos", "Primitiv", "Wertlos"?
Thorsten ------------------------- There's a smile on my face for the whole human race!
Keine Ahnung, wo Mitch Miller heute wohnt... jedenfalls wurde er im letzten Juli 94.
Den Kwai-Song hat er (glaub ich) nicht selbst produziert, sondern die Filmleute haben ein älteres von ihm geschriebenes Stück für den Film verwendet, das dadurch dann nochmal bzw. erstmals wirklich berühmt wurde... oder so? So hab ichs jedenfalls momentan in Erinnerung (was wenig heißen muß).
Bernhard.
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FRANCIS ALBERT SINATRA 12.12.1915 - 14.5.1998 THERE WILL NEVER BE ANOTHER YOU
Ehrlich gesagt finde ich das Output Mitch Millers auch etwas datiert, aber irgendwie symbolisiert es den Zeitgeist der Popmusik der 50er (abseits des Rock 'n' Roll). Zeitweise läuft auf Privatsendern eine Werbesendung für eine überteuerte Anthologie von 50er Jahre Pop-Songs, bei der Mitch Miller hin und wieder bei einem Video zu "Yellow Rose Of Texas" (einem Marsch, der durch "Giganten" populär wurde und von Miller in die Charts geschickt wurde) durchs Bild flitzt. Stefan Huber shicorpNO@SPAMgmx.at http://www.franksinatra.net.tf [im Aufbau!] ------------------
Ich habe einfach mal für Freeman gestimmt. Wie Bernhard geschrieben hat, sollte man zwar den Output der beiden nicht unbedingt vergleichen und vor allem auf so eine etwas platte Frage reduzieren, aber in Bezug auf Sinatra ist mir Ernie Freeman einfach nur ein Graus, weswegen ich spontan so abgestimmt habe.
Eigentlich wollte ich mich an diesen, wie ich finde, sinnlosen Thread nicht beteiligen, aber vielleicht solltest Du die Frage anders stellen.
Wie Bernhard schon schrieb, hat Freeman nachweislich Erfolg gehabt. Das Konzept funktionierte wunderbar bei Dean Martin und auch mit Bing Crosby arbeitete er 1967 zusammen. Das "Bridge over trouble water" einer der schönsten Songs der Popgeschichte ist, sei auch noch erwähnt.
Die Frage wäre vielleicht: Wer paßte von Beiden weniger zu Sinatra!?
Und selbst da paßten beide Arrangeure zur damaligen Zeit zu Sinatra. Erfolg ist, wenn sich Platten verkaufen lassen und nicht wenn über 40/ 50 Jahre später der Bayer aus Hoboken in einem deutschen Sinatra-Forum sich herausnimmt Musikkritiker zu werden . Platten hat Sinatra nunmal mit Miller und Freeman verkauft...
Viele Grüße
Andreas ------------------------------ We never had it so good, OME‘s, smiles of happy faces, different styles and paces, still we're one big forum-neighborhood: Dezember 2005: 4 Jahre "OME - Das Sinatra-Forum" http://www.the-main-event.de und http://www.sinatra-main-event.de ----------------------------------------
In Antwort auf: Platten hat Sinatra nunmal mit Miller und Freeman verkauft...
Ja, aber es ist nunmal so, dass Sinatra während der Zeit mit Miller mit die beste Stimme hatte, wie ich finde. Und das wurde durch diese seichten Schlagerliedchen einfach überhaupt nicht ausgenutzt. Somit sind wertvolle Jahr ein Sinatras Karriere einfach verschwendet.
Thorsten ------------------------- There's a smile on my face for the whole human race!
"wer war schlimmer" finde ich äußerst unangbracht.
Andreas hat es treffend formuliert - "wer passte weniger zu Sinatra?". Und selbst das ist, wie ich finde, nicht eindeutig zu beantworten. Die Arbeit der beiden Arrangeure für Sinatra liegt ja in völlig unterschiedlichen Schaffensperioden.
Gerade Freeman auf Gedeih und Verderb zu verteufeln, halte ich für vollkommen falsch. Das Konzept mag bei FS nicht ganz aufgegangen sein, aber für Dean und Bing Crosby hat er grandiose Arbeit geleistet .
Ebenso für Sammy:
I Have But One Life To Live Take It From One Who Knows The Goin's Great In This Crowded World The Impossible Dream Lonely Is The Name Don't Take Your Time
kennt ihr? Wenn nicht, solltet ihr das schleunigst ändern. Das sind Songs die ich mit zu Sammys besten Arbeiten der späten 60er Jahre halten würde - allesamt arrangiert von Ernie Freeman.
Mitch Miller hat als Produzent mit Sinatra gearbeitet - arrangiert hat er nur zwei Sinatra-Lieder (Dear Little Boy Of Mine und Goodnight Irene); die anderen Arrangements der Zeit (etwa Mama Will Bark) sind zumeist von Axel Stordahl. Der Vergleichspunkt für Miller in den 60ern wäre der junge Reprise-Produzent Jimmy Bowen, nicht der Arrangeur Ernie Freeman.
"Wer paßte weniger zu Sinatra" kann ich auch nur unentschieden beantworten - Millers kommerzielle Produktionsstrategie paßte kaum zu Sinatras künstlerischen Fähigkeiten, aber für Freemans Arrangements für Sinatra gilt genau dasselbe.
Bernhard.
----- "Alte Wege, die wir wandern, werden neue Wege sein unser Denkmal ist den andern dann ein Kilometerstein"
FRANCIS ALBERT SINATRA 12.12.1915 - 14.5.1998 THERE WILL NEVER BE ANOTHER YOU
April in Paris oder Why do try to change me now sind z.B grandiose Lieder und als Gegenbeispiele anzuführen.
Auch hat Miller für Clooney und Bennett tolle Alben produziert z.b das Album Cloud 7 ein Jazzalbum von Tony Bennett wurde von Mitch Miller produziert.Dieses Album kann ich jeden wärmstes empfehlen.Er hat den beiden zum Karrierestart verholfen.
Freemann wie Flo schon hat für Sammy und Dean sehr gute Arbeiten abgeliefert.Bei Sinatra ging sein Konzept nicht ganz auf.Aber ich finde z.b What now my lofe oder That´s life sehr gut arrangiert von Freeman.
Dass Miller sowohl Gutes als auch Böses produzieren konnte, hört man am besten auf den Bear Family Sets von Doris Day: hier wechseln sich tolle Einspielungen von Standards für Konzept-Alben mit grauen-erregenden Singles (und noch furchtbareren bislang unveröffentlichten Aufnahmen) ab Stefan Huber shicorpNO@SPAMgmx.at http://www.franksinatra.net.tf [im Aufbau!] ------------------
In Antwort auf:Auch hat Miller für Clooney und Bennett tolle Alben produziert z.b das Album Cloud 7 ein Jazzalbum von Tony Bennett wurde von Mitch Miller produziert.Dieses Album kann ich jeden wärmstes empfehlen.Er hat den beiden zum Karrierestart verholfen.
Dazu sollte man aber sagen, daß Miller ein Gegner von Bennetts Cloud 7 war und sich hier glücklicherweise der Künstler durchsetzen konnte und deswegen das Album überhaupt produziert wurde. Kommerziell erfolgreich war es nicht! Aber es ist ein verdammt gutes Album und zeigt, wie sehr Bennett schon in so frühen Jahren seiner Karriere dem Jazz zugetan war und nicht ausschließlich auf Kommerz gesetzt hat.
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