Es ist auch irgendwie ganz interessant, wer für welche Künstler seine Vorlieben hat. Jetzt mach ich mir fast Sorgen.
Frank Sinatra, Sammy Davis und wohl auch Dean Martin (den würde ich da aber ausklammern), aber ganz sicher Edith Piaf, Jacques Brel und Hildegard Knef waren ja was ihre musikalischen und vor allem auch stimmlichen Möglichkeiten betrifft, zumindest extrem unterschiedlich.
Über jeden Zweifel erhaben war aber deren Intensität im Vortrag - unumstritten auch, dass es sich bei diesen Personen in vielerlei Hinsicht - auch im Zivilleben, falls sie überhaupt eines hatten - um absolute Grenzgänger gehandelt hat.
Sagen wir so - die haben alle keine "Light"-Produkte hergestellt, und genau das ist manchen Menschen dann auch zu belastend.
Zitat von MarcDas ist jetzt eine gewagte These, aber ich stell sie trotzdem einfach mal so zur Diskussion in den Raum: Frank Sinatra (ab der Capitol-Zeit) spricht überwiegend männliche Hörer an
Ja, das entspricht auch meinen Erfahrungen.
Zitat von alfredSagen wir so - die haben alle keine "Light"-Produkte hergestellt, und genau das ist manchen Menschen dann auch zu belastend.
Ebenso Zustimmung. Wobei ich niemandem, der FS nicht so gern hört (und zu allerletzt genannter Person ) ein zu simples Gemüt unterstellen möchte - da hat einfach jeder persönliche Vorlieben. Manche bevorzugen bspw. gehaltvolle Bücher und leichte Musik, andere umgekehrt - von niveauunabhängigen Genrevorlieben ganz zu schweigen...
Wobei ich aber denke, dass Sinatra ein so vielseitiger Künstler ist, dass man verschiedene "Zugänge" finden kann. Einzelne Songs oder einzelne Alben haben eine eigene Bedeutung für mich - als wären sie von einem anderen Künstler. Dass es sich aber trotzdem um Sinatra handelt, merkt man erst, wenn man sein Output mit dem seiner Zeitgenossen vergleicht: selbst Dino, Ella, Sammy und Peggy Lee lieferten im Vergleich zu Frank oft zweitklassige Ergebnisse. Ich weiß jetzt nicht, ob das nur ein Gewöhnungseffekt ist, jedenfalls finde ich, dass Riddle beispielsweise für Sinatra "besser" arrangiert hat als für andere Künstler. Ein Beispiel dafür wäre Dinos "This Time I'm Swingin'". Wirklich kein schlechtes Album, aber dennoch meilenweit von "A Swingin' Affair" oder "Songs For Swingin' Lovers" entfernt.
Bei anderen Künstlern ist es wieder so, dass ich einen Zugang habe, der wohl den meisten Fans nicht gefallen würde. Von den Beatles schätze ich beispielsweise gerade die frühen Aufnahmen, während ich jene Werke, die die "greatest ever"-Listen anführen, eigentlich schon als Anfang vom Ende betrachte. Ich kann mir deshalb auch gut vorstellen, dass es Leute gibt, die bei Sinatra nicht weiter als zu "That's Life" und "Somethin' Stupid" kommen. Ich weigere mich aber zu akzeptieren, dass Franks Musik als schlecht abgestempelt wird, weil sie nicht so zum "nebenbei hören" geeignet ist. Hier besteht eben die - wenn auch verschwommene - Grenze zwischen Hintergrundbelärmung und Kunst...
Viele Grüße,
Stefan Huber shicorpNO@SPAMgmx.at ------------------
In Antwort auf:Ebenso Zustimmung. Wobei ich niemandem, der FS nicht so gern hört (und zu allerletzt genannter Person ) ein zu simples Gemüt unterstellen möchte - da hat einfach jeder persönliche Vorlieben.
Andreas,
dein Beitrag kam jetzt schneller als meiner. Jedenfalls habe ich das nicht damit gemeint. Ich meine nur, dass man Frank nicht mit "Bierzeltmusik" vergleichen sollte - und dann enttäuscht ist, weil sie diesem Anspruch nicht gerecht wird...
Viele Grüße,
Stefan Huber shicorpNO@SPAMgmx.at ------------------
Ich unterstelle nicht Niveaulosigkeit, wenn wer Light-Produkte bevorzugt - sondern nur einen anderen Zugang. Vielleicht ist "Light" sogar falsch, und eigentlich würden - kulinarisch gesehen - eher die Gegensätze "mild-würzig" passen. Wer Jazz mag, und/oder bei Sinatra in die Tiefe geht, der mag es halt intensiv. Wie shicorp schon sagte - Frank eignet sich nicht als Hintergrundmusik - was auch nicht immer stimmt, auch von Frank gibt es vereinzelt fahrstuhltauglich Produkte - aber nur in seltensten Fällen handelt es sich um gesungene Werke.
Dass Frank - ganz im extremen Gegensatz zu seinen Anfangstagen - von Männern mehr verehrt wird, ist keine Einzelbeobachtung.
also ich kann nicht sagen, daß ich Sinatras Gesang besonders traurig finde. Ich schätze sehr an ihm, daß er in seinem Schaffen die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen abdeckte und das jeweils sehr glaubwürdig und echt.
Sinatra konnte sehr melancholische und traurige Lieder singen und nicht einfach nur singen, sondern ihre Botschaft auch glaubhaft rüberbringen.
"Last night, when we were young" hat er z.B. nicht einfach nur gesungen, er hat das Lied derart authentisch vorgetragen, daß ich jedesmal sentimental werde, wenn ich es höre, umgekehrt fühle ich mich wie ein frischgebackener Lottojackpotgewinner wenn "It´s time for you" im CD-Spieler liegt und könnte die Welt umarmen.
Bei Sinatra ist alles dabei, von Trauer und Sehnsucht über Glück, von Fern- und Heimweg bis zu emotional ergreifendem Patriotismus, wie in "The House I Live In". Und natürlich gibt es auch die Lieder, die einfach nur Spaß machen ("The Coffee Song",z.B).
Einen besonderen Hang zur Trauer kann ich bei Sinatra nicht feststellen. Was man ihm aber lassen muß: Wenn er ein Lied traurig vorgetragen hat, dann aber richtig. Darin könnte ihm niemand das Wasser reichen. Deshalb war Sinatra auch Sinatra und nicht irgendein Sänger.
Marcus
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Thank you Frank.... Voice Of Our Time, A Voice For All Time Francis Albert Sinatra 1915-1998
Heute beginnt der Rest Deines Lebens ... Jetzt oder nie - und nicht irgendwann. Schau auf Dein Ziel. Kein Traum ist vergebens. Heut´ fängt die Zukunft an.
Lese das alles erst jetzt und bin (einmal mehr) schwer beeindruckt, wie pointiert genau der Künstler und Mensch Sinatra beschrieben worden ist. Vielleicht ist das Eigentümliche und Einmalige an dieser Person gerade, dass im Grunde alle hier beschriebenen Empfindungen zutreffend sind und dass sich daran nicht nur Vielseitigkeit zeigt, sondern auch etwas, dass man eben nicht total greifen und mit Worten beschreiben kann. Vielleicht sollte Andi seine Judith nochmal fragen, ob nicht viele der Attribute, die hier richtigerweise genannt wurden, mit dem Oberbegriff "Traurigkeit" gemeint sein könnten...
Meine Empfindungen decken sich mit denen vieler Vorschreiber: Sinatra war ein Extremer - und das drückt sich - Gott sei Dank - in seiner Musik aus. Von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt deckt es die ganze Bandbreite ab. Ich würde vielleicht noch ein anderes Attribut einführen, das es für mich beschreibt: cholerisch.
Gerade bei Alfreds Zeilen über bevorzugte Künstler und dem, was sich darin an der eigenen Person widerspiegelt, bin ich auch sehr nachdenklich geworden. Eigentlich könnte man meinen, ist die eigene Musiksammlung da manchmal das Opium, das man braucht, um den Mut zu haben, sich die nächste Brücke zu suchen. Aber ich drücke es auch gerne positiv aus: Die Musik ist ein hervorragendes Ventil, diese Emotionen auszuleben und Sinatra ist da immer noch der beste "Dampfablasser", gerade was den tarurigen, melancholischen Teil betrifft.
Und das hängt natürlich damit zusammen, dass viele andere Künstler es nicht schaffen, diesen Seelenstriptease zu vollziehen und damit für den Hörer "kalt" bleiben. Das krasseste Beispiel dafür ist für mich Bing Crosby: Ein hochinteressanter und technisch hervorragender Sänger, viel sauberer als Sinatra. Er konnte sicher auch Frohsinn und Optimismus ausstrahlen, aber die andere Seite wird komplett gedeckelt und "zugeschmalzt." Das ändert sich allerhöchstens erst in der ganz späten Phase, aber auch nicht ganz.
Meine Vorliebe für Sinatra entspringt auch aus einer gewissen Seelenverwandtschaft, und das geht sicher einigen hier so: Ja, ich habe zuweilen auch diese extremen Ausschläge in meinen Stimmungen. Also lasst mich gefälligst zurfrieden, wenn die entsprechenden Alben im "Was-der-Sinatra-Fan-heute-gehört-hat-Thread" auftauchen...
Tim
"We're all worms. But I do believe I'm a glow-worm." Sir Winston Churchill
Zitat von crooner...ob nicht viele der Attribute, die hier richtigerweise genannt wurden, mit dem Oberbegriff "Traurigkeit" gemeint sein könnten...
Bin sogar sicher, daß es so gemeint war. Natürlich hatte auch Marek recht, sie hört ihn einfach nicht so gern, aber die Begründung war nicht vorgeschoben. Erstens kenne ich sie gut - und zweitens hab ich nachgefragt.
Volle Zustimmung zu Deinen Zeilen, Tim - und auch hier schließe ich mich an:
Zitat von croonerMeine Vorliebe für Sinatra entspringt auch aus einer gewissen Seelenverwandtschaft, und das geht sicher einigen hier so: Ja, ich habe zuweilen auch diese extremen Ausschläge in meinen Stimmungen.
Ein bisschen Wahrheit steckt in der These von Judy schon drin.
Ich ertappe mich oft dabei,dass ich bei Romantic Songs oft Dean Martin einlege.Seine Songs hinterlassen eine romantischen und optimistischen Eindruck,dafür konnte er so ernste Balladen bei weiten nicht so interpretieren wie Frank.
Bei Frank fällt mir so vorallem so ab 53 auf,dass in seinen Liebeslieder oft ein bisschen Zweifel oder Unsicherheit enthalten sind.Es kann aber sein,dass ich mir das nur einbilde.Aber dies auch genial interpretiert!
In dem Zusammenhang fällt mir auch auf,dass Neueinsteiger oft mit Dean Songs mehr anfangen können.
Ich denke selbst, das hat überhaupt nichts mit den Liedern zu tun. Sondern Judy meint einfach die Stimme von Frank. Und da würde ich ihr doch Recht geben. Er hat schon ein traurige Stimme, die er aber wohlklingend einsetzt.
Nachdem ich All The Way Home gehört habe, kann ich sagen, dass Sinatra definitiv rührend ist, im nächsten Leben mein Hochzeitswalzer. FS bedient alle Stimmungen in idealer Weise. Erobernd wie bei New York oder traurig wie bei All By Myself. NYNY
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