Aber um auf das Thema zurück zu kommen. Pioniere wie Frank und Bing ziehen langsam in die Geschichtsbücher ein - so wie schon ihre Vorgänger Al Jolson und Eddie Cantor. Auch bei den beiden ist es merkwürdig, dass der Bekanntheitsgrad doch so extrem unterschiedlich ist - und auch im Opernfach gibt es sowas. Es gab viele grosse Tenöre, aber irgendwie muss man schon ein Freund der Nische sein, um langfristig auch noch einen Slezak zu kennen - bei Caruso liegt das offenbar anders, und bei Pavarotti könnte das auch so sein. Und darum bin ich eben zuversichtlich, dass Frank immer der bekannteste Stellvertreter dieser grandiosen Epoche sein wird - so wie halt wohl auch bei Glenn Miller, Elvis und den Beatles - und bei den Filmschönjeiten der Vergangenheit hat die Monroe auch einen anderen Status als manche Kollegin, die ihr einst auf Brusthöhe begegnet ist.
Es gibt viele ganz Grosse aus der Vergangenheit, deren Ruf verblasst ist - auch hier in Europa. Wer kennt aussserhalb Frankreichs noch einen Maurice Chevalier, und seine Bedeutung? Selbst ein Montand ist fast "weg" - Aznavour hilft es hauptsächlich dass er noch lebt, und auch Becaud lässt nach. Aber Edith Piaf kennt man auch heute noch. Beim durschnittlichen Teenager wird das nicht so oft vorkommen, aber mit ein klein wenig Kultur-Background kennt sie jeder Mensch. Als ich letzten Oktober an ihrem Grab war, traute ich meinen Augen nicht: Dort sieht es immer noch aus, als wäre es der Verkaufsraum einer Blumenhandlung - 51 Jahre nachdem sie die Bühne dieser Welt verlassen hat.
Und das wird auch mit Frank so sein: Seine Magie wird auch in Zukunft Massen faszinieren; nicht mehr so viele wie früher, aber er wird seinen Platz in der Geschichte behaupten. Noch immer hört man Frank in diversesten Filmen oder bei den sonderbarsten TV-Beiträgen - und man hört ihn in Lokalen und im Radio, auch wenn just das Medium Radio ebenfalls eine schlechte Zeit hat. Also da mache ich mir keine Sorgen - eher schon um viele seiner Weggefährten.
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
Ich mag Bing ja, möchte aber den schon genannten Punkten noch hinzufügen, daß Sinatra entschieden mehr Charisma hatte und auch neben seinem Musik- und Filmschaffen reichlich von dem Stoff bietet, aus dem Legenden gestrickt werden. Ob es fair ist oder nicht, von Sinatras Ruhm wird meiner Einschätzung nach wesentlich mehr übrig bleiben als von Crosbys.
Sinatra hat die interessanteren Filme gedreht. Das wird ihn wohl gegenüber Bing einen Vorteil verschaffen.
Wir dürfen nicht nur vom deutschsprachigen Raum ausgehen. In Nordamerika und Grossbrittanien ist Bings heutiger Ruhm größer als bei uns. Das war aber auch schon zu seinen Lebzeiten so.
Die Schauspielerei meinte ich gar nicht, da hat er sowieso eine Sonderstellung, weil es da auch Filme gab, wo er echt geschauspielert hat (und sogar gut auch noch) selbst in komplett fremden Rollen und ausserhalb des Musikfilms. Aber das alte Hollywood lässt in seiner Bedeutung irgendwie nach, alte Filme sind heute vielleicht sogar noch mehr Nischenprodukt wie alte Musik.
Nein, ich meine das schon rein musikalisch - wenn man sich da den Wandel von Columbia-Sänger zur Reprise-Spätphase ansieht, inklusive Dinge wie die Jobim-Alben - das ist schon enorm weit gespannt, oder die Auftritte mit kleiner Besetzung - und nicht zu vergessen das Ellington-Album, dazwischen seichter Schlager und zwar ohne peinlich zu sein, und auch noch der Wandel in den 70-er Jahren. Letzteres konnte allerdings Bing auch, sein Spätwerk wird gerne unterschätzt. Er wird sogar überhaupt unterschätzt, aber ich würde bei Bing die Vielfalt nicht so im Brennpunkt sehen - also ich finde das ist das völlig falsche Attribut - grad bei Frank. Ich hätte sonst nicht protestiert, und das hat auch gar nichts mit Vergötterung zu tun. Vielleicht liege ich da ja auch falsch, weil ich Bings Gesamtwerk nicht ansatzweise so gut kenne wie jenes von Frank, aber so ganz unbekannt ist mir Bing auch wieder nicht - und natürlich ist der mehr als die Weihnachtslieder, alleine sein Frühwerk, aber dann wiederum Dinge wie die Arbeit mit Satchmo (der ist heute auch unterschätzt) und sein Spätwerk - Bing ist da schon ganz besonders. Und dazu kommt die Rolle als Pionier - da ist der Unterschätzungsgrad noch grösser.
Aber grad bei Frank ist die Vielfalt wohl auch objektiv noch wesentlich grösser, wo der doch auch im Kernwerk ständig den Spagat übt, auch in umittelbarer Folge, von der blusigen Ballade zum Swing umschaltet wie niemand sonst - ich würde sogar sagen, das ist künstlerisch eine Art Alleinstellungsmerkmal. Vielleicht ist das der Hauptgrund, wieso Frank immer noch einen hohen Bekanntheitsgrad hat, und Perry Como beispielsweise keine Sau mehr kennt.
Eine Ausnahme gibt es da noch, nämlich Sammy - bei dem geht das mit der Vielfalt - wie ich finde - sogar noch weiter.
Natürlich ist meine Sicht subjektiv, aber denn doch mit echtem Bemühen um Objektivität, darum wundert mich, dass jemand, den ich doch für gut informiert halte, diesen Punkt derart krass anders sieht.
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
Du beziehst das offenbar auf den Ruhm, dann habe ich Dich wahrscheinlich falsch interpretiert. Ja da ist schon was dran. Das lässt sich zwar schwer messen, und noch schwerer vergleichen, aber da würde ich Mal meinen, Frank und Bing geniessen sowohl in England als auch in den USA immer noch einen gewissen und vor allem anderen Stellenwert, den viele ihrer seinerzeitigen Kollegen heute nicht mehr haben.
Was aber mit Sicherheit stimmt - Bings Ruhm ist (von den Weihnachtsliedern Mal abgesehen) wesentlich mehr auf den englischsprachigen Raum konzentriert - während Frank auch in anderen Kulturkreisen Sinatra ist - da gibt es ein paar Kuriositäten, wie die Geschichten aus den asiatischen Karaoke-Bars, aber auch aus Südamerika, Osteuropa und natürlich den Musikkernmärkten Italien und Frankreich.
Das liegt wohl in der Besonderheit des Erfolgs in einem ganz bestimmten Zeitfenster (und wohl an den Erfolgen von Strangers In The Night + My Way und Theme from NY, NY). Das hat wohl die Wahnehmung besonders geprägt, und selbst in Fankreisen wurde Frank abhängig vom Kulturkreis unterschiedlich wahrgenommen - also im englischsprachigen Raum ganz anders als im internationalen Geschäft (Italien ist da jetzt ein Sonderfall, weil da war er schon früh bekannt, ja sogar prägend).
Hätte Frank bereits Mitte der 60-er aufgehört, wäre er wohl international auch nicht bekannter als Bing - von Frankreich und vor allem Italien einmal abgesehen.
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
Zitat von alfred im Beitrag #79Eine Ausnahme gibt es da noch, nämlich Sammy - bei dem geht das mit der Vielfalt - wie ich finde - sogar noch weiter.
Ich bin sehr froh, daß Du das sagst! Und gleichzeitig ein bißchen wehmütig, denn Sammy wird, wenn überhaupt noch wahrgenommen, sicher noch mehr reduziert auf ein, zwei Facetten.
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And Life is filled with Happy Endings When you pretend...
Sammy Davis wird leider in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Ich bin ja auch Mitglied im Crosby Fanlclub und er wird schon in England und USA wesentlich mehr wahrgenommen. Das mit Crosby und kein Weihnachtssänger, sehe ich komplett anders. Bing Crosby ist für mich der Inbegriff von Weihnachten, gerade mit seiner warmen tiefen Stimme. Sein "White Christmas" war zeitweise mit meistverkaufte Single der Welt und ist bis heute wohl das bekannteste Weihnachtslied, gleich nach "Heilige Nacht" und "Jingle Bells".
Das mit der Bandbreite stimmt, Crosby hatte nicht soviele Facetten wie Sinatra in der Stimme. Bei Dean war es übrigens sehr ähnlich. Crosby hat ab Mitte der 50er bis Anfang der 70er wenige Alben aufgenommen mit teils obskuren Konzepten.Hätte Bing noch paar Jahre mehr gelebt wäre er sicher noch mehr in Erinnerung geblieben.
Satchmo fehlt in der Diskussion ganz, der hat auch Maßstäbe festgelegt auch im Instrumentalbereich. Sein Ruhm in den USA ist immer noch groß, bei uns leider nicht so. Trotzdem würde ich meinen das Satchmo einen ähnlichen Status hat wie Sinatra in der Zukunft haben wird. Ein Klassiker der zur Allgemeinbildung zählt.
too many chiefs and not enough indians around this place
Bist ja auch kein Engländer oder Amerikaner. White Christmas ist wahrscheinlich immer noch die meistverkaufte Single, auch wenn der offizielle Rekord mittlerweile gebrochen ist - nur geht es da um einen bestimmten (und sogar relativ kurzen) Zeitraum, und dem guten Elton John wird nachgesagt, dass er da mit Eigenkäufen ein wenig nachgeholfen hat ...
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
Nein, ich meine das schon rein musikalisch - wenn man sich da den Wandel von Columbia-Sänger zur Reprise-Spätphase ansieht, inklusive Dinge wie die Jobim-Alben - das ist schon enorm weit gespannt, oder die Auftritte mit kleiner Besetzung - und nicht zu vergessen das Ellington-Album, dazwischen seichter Schlager und zwar ohne peinlich zu sein, und auch noch der Wandel in den 70-er Jahren. Letzteres konnte allerdings Bing auch, sein Spätwerk wird gerne unterschätzt. Er wird sogar überhaupt unterschätzt, aber ich würde bei Bing die Vielfalt nicht so im Brennpunkt sehen - also ich finde das ist das völlig falsche Attribut - grad bei Frank. Ich hätte sonst nicht protestiert, und das hat auch gar nichts mit Vergötterung zu tun. Vielleicht liege ich da ja auch falsch, weil ich Bings Gesamtwerk nicht ansatzweise so gut kenne wie jenes von Frank, aber so ganz unbekannt ist mir Bing auch wieder nicht - und natürlich ist der mehr als die Weihnachtslieder, alleine sein Frühwerk, aber dann wiederum Dinge wie die Arbeit mit Satchmo (der ist heute auch unterschätzt) und sein Spätwerk - Bing ist da schon ganz besonders. Und dazu kommt die Rolle als Pionier - da ist der Unterschätzungsgrad noch grösser.
Aber grad bei Frank ist die Vielfalt wohl auch objektiv noch wesentlich grösser, wo der doch auch im Kernwerk ständig den Spagat übt, auch in umittelbarer Folge, von der blusigen Ballade zum Swing umschaltet wie niemand sonst - ich würde sogar sagen, das ist künstlerisch eine Art Alleinstellungsmerkmal. Vielleicht ist das der Hauptgrund, wieso Frank immer noch einen hohen Bekanntheitsgrad hat, und Perry Como beispielsweise keine Sau mehr kennt.
Natürlich ist meine Sicht subjektiv, aber denn doch mit echtem Bemühen um Objektivität, darum wundert mich, dass jemand, den ich doch für gut informiert halte, diesen Punkt derart krass anders sieht.
Dann sind wir uns ja schonmal einig, das es hier um das rein musikalische geht.
Für mich ist ganz klar Bing vielseitiger als Frank. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, vielseitiger als jeder ander Sänger oder Sängerin.
Bing begann als Jazz-Sänger und entwickelte in den späten 20er und frühen 30er Jahren, zusammen mit Louis Armstrong, den Scat-Gesang sowie den wegweisenden, populären Stil der Crooner auch dank des gerade erfundenen Mikrofons. Schon damals nahm er z.B. mit dem Ellington Orchester auf. :-)
Während seiner 20 jährigen Zugehörigkeit zum DECCA-Label (1935 - 1955) sang er alles was Mr. Kapp im aufs Notenpult legte. Swing, Blues, Tagesschlager, Hawaii-Songs, Irische Songs, Chansons in französisch, religiöse Hymnen, Country und Western, Folk-Songs, Kinderlieder und massenweise Duette mit anderen Sängern und Vokal-Gruppen. Dazu natürlich noch die berühmten Christmas-Songs mit denen er fast im Alleingang den Markt der populären Weihnachts-Musik eröffnete.
Nach DECCA war es dann bei verschiedenen Labels immer nur für kurze Zeit oder für ein bestimmtes Projekt unter Vertrag. Er machte ein Bigband-Album im Stil Sinatra-Riddle für Verve. Er nahm ein Hawaii-Album für Reprise auf. Ein Dixie-Jazz-Album für RCA.
In den 70ern kam dann auch noch neben einigen anderen "normalen" Alben, ein komplettes Album in spanischer Sprache dazu und er experimentierte auch etwas mit dem aktuellen Funk-Sound.
Für mich war er ein musikalisches Chamäleon dem Sinatra in Sachen Vielfalt nicht das Wasser reichen konnte.
Crosby hatte die vollere und geschmeidigere Stimme, Sinatra die interessantere.
Sinatras Interpretationen gehen mit Sicherheit tiefer auf den Text ein und Frank hatte die charismatischere Persönlichkeit während Bing immer irgendwie der altmodische Daddy war. :-)
Jemand hat das mal gut ausgedrückt: "Mit Crosby will man unbedingt befreundet sein, Sinatra will man selber sein!"
"Bing Crosby ist für mich der Inbegriff von Weihnachten, gerade mit seiner warmen tiefen Stimme. "
gerade dies "warme tiefe Stimme" hat Crosby enorm geschadet. Man hört sich schnell an ihr satt. Sinatra war da einfach vielseitiger und abwechslungsreicher. Crosby war immer irgendwie Crosby, zwischen Sinatra und Sinatra konnten dagegen Welten liegen. Auch wenn Crosby ähnlich experimentierfreudig war was Musikrichtungen angeht, seine markante Stimme konnte er nicht einfach so ablegen.
Marcus
Thank you Frank.... Voice Of Our Time, A Voice For All Time Francis Albert Sinatra 1915-1998
Heute beginnt der Rest Deines Lebens ... Jetzt oder nie - und nicht irgendwann. Schau auf Dein Ziel. Kein Traum ist vergebens. Heut´ fängt die Zukunft an.
Crosby war in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts der führende Sänger und zumidestens in den USA auch Filmstar. Was die Genres betrifft war Crosby mit Sicherheit vielseitig. Aber sein Stil blieb immer gleich ein Country Song von Crosby klingt ähnlich wie ein normale Ballade.Sinatra´s Stimme hatte mehr Facetten und auch er war vielseitig, wie es Alfred oben schon erwähnt hat von Bossa Nova, Jazz bis zum normalen Popsong.
too many chiefs and not enough indians around this place
Vielseitiger verwundert mich immer noch, weil Bings Part für mich eigentlich immer recht ähnlich klingt - aber Marcus muss ich da schon auch widersprechen.
Bings Stimme - die hat schon was ganz Besonderes, da ist so ein tiefes und doch sonores Timbre drinnen, - besonders intensiv kommt es bei manchen späten Aufnahmen rüber, das ist ein ganz eigener Klang, eine Mischung aus schnurrender Katze und Alfa Romeo-Auspuff aus den frühen 70ern - also das macht regelrecht süchtig - mich zumindest.
Es sind bekanntlich nicht immer die anspruchsvollsten Nummern, die den Weg in die Endlosschleife finden .
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
Besonders intensiv ist dieser Effekt bei den Aufnahmen aus der CD "The Complet United Artist Sessions - das geht gleich mit der ersten Nummer los: Bei seinem "The Best Things In Life Are Free" - musikalisch absoluter Schrott - aber ich bekomme schon bei der ersten Zeile Gänsehaut . ....
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
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