Zugegeben: Der Titel des Betreffs ist ein wenig provokant. Aber das soll er auch sein. Nicht etwa deswegen, weil ich Streit suche oder gar den Troll geben möchte, sondern um meiner Frage Aufmerksamkeit und gerne eine lebhafte Debatte zu verschaffen. Also: Wie gut hat Sinatra tatsächlich gesungen? Nicht nur unter Fans, sondern auch unter Musikern wird Sinatras Gesang in hohen Tönen gelobt. Viele dieser Lobpreisungen kann ich nachvollziehen, etwa wenn es um die Phrasierung (ja, ich weiß, das ist abgelutscht) oder die Diktion seines Gesangs geht. Manches Lob finde ich aber weit übertrieben. Ich möchte das an folgendem Beispiel festmachen: In meiner (bei weitem nicht vollständigen oder auch nur umfassenden) Sinatra-Sammlung findet sich auch die Live-Aufnahme von 1966 aus Las Vegas: Sinatra at the Sands. Soweit ich die Rezensionen dazu wahrgenommen habe, werden diese Aufnahmen gemeinhin als solide eingestuft, mit einem Sinatra in guter stimmlicher Verfassung. Also wirklich! Ich finde, in mehreren Songs wirkt sein Gesang gepresst, gequält, Sinatra kommt in Sachen Stimmumfang mehrmals hörbar an seine Grenzen. Man darf vermuten, dass dieser Eindruck nicht auf unzureichende technische Ausstattung des Konzertsaals zurückzuführen ist, oder? Besonders ernüchternd ist dieser Auftritt, wenn man ihn einer anderen Live-Aufnahme vom Ende der 50er-Jahre gegenüberstellt: Ella Fitzgerald live in Rom, das sogenannte Geburtstagskonzert von, ich glaube, 1958. Ellas Stimme klingt hier genauso gut wie auf Studio-Aufnahmen. Davon ist Sinatra meilenweit entfernt. Oder schneidet Sinatra in diesem Vergleich nur deswegen so schlecht ab, weil Ella Fitzgerald schlicht eine noch viel bessere Sängerin war? Ich möchte mit diesem Beitrag nicht etwa meine Steinigung durch Sinatra-Fans provozieren, sondern hoffe auf sachlich weiterführende Kommentare! Gruß Stefan
Die Sands -Aufnahmen werden mit Recht hochverehrt, weil die Zusammenarbeit mit Basie musikalisch einfach ein Traum ist, aber es stimmt, den typischen Las-Vegas-Hals kann man tatsächlich erkennen - Sinatras-Stimme war merkbar überanstrengt, was an der Vielzahl an Auftritten liegt, dennoch ist das Ergebnis insgesamt ein musikalischer Meilenstein - nicht nur für Frank. Deine Wahrnehmung ist also richtig, wenn Du das beispielsweise mit dem Studio-Album Konzert-Sinatra vergleichst, ist der Unterschied schon recht gewaltig (und das liegt vom Zeitfenster nicht so arg auseinander).
Das ist überhaupt das Problem vieler Live-Aufnahmen jener Tage, egal ob aus Vegas oder von riesigen Tourneen. Hinzu kommen die Tontechnik-Probleme bei Live-Aufnahmen (je grösser die Halle desto schwieriger, von Freiluft wollen wir noch gar nicht reden, noch schlimmer, wenn auch Fernsehen dabei war.
Bei Ella hatten es die Tontechniker wesentlich einfacher, und auch das hat einen ganz simplen Grund, die hat sich auf der Bühne weniger bewegt.
Gruß, Alfred --------------------------------------------------
hier wird Dich bestimmt niemand steinigen – andererseits, aufgrund eines Albums Sinatra seine Gesangskünste abzusprechen, ist schon kühn.
Das Sands-Album ist bei mir nicht so sehr Lieblingsalbum wie bei anderen hier, deshalb möchte ich es nicht beurteilen, ohne es mal wieder angehört zu haben. Aber generell gilt, daß es bei Sinatra eine riesige Bandbreite in Sachen Stimmform gibt, und zwar nicht nur zwischen jung und alt. Sinatra war eigentlich ein hochprofessioneller Künstler, aber zuweilen scheinen ihm andere Dinge wichtiger gewesen zu sein. Ein Album (ich glaube, es war das erste mit Basie) soll ihn bei relativ dünner Stimme zeigen, weil er am Tag davor im Baseballstadion lautstark sein Team angefeuert hat. Auch schon beim 1961er "Come Swing With Me" kann man Krächzer vernehmen, die man aus der Capitol-Ära sonst eigentlich nicht gewohnt ist – gut, das war eh eines der vertraglichen Pflichtalben, auf die er keine große Lust mehr hatte. Aber abgesehen davon habe auch ich den Eindruck, daß Sinatras Stimme mehr "Pflege" brauchte, er seine stimmlichen Leistungen nicht so konstant bringen konnte wie beispielsweise Nat King Cole oder Sammy Davis Jr. (die beide viel mehr geraucht haben als Sinatra).
Aber jetzt hör Dir als Kontrastprogramm zu Sands mal das 1965 entstandene "September Of My Years" an. Es gibt noch viele andere, die großartig sind, aber stimmlich halte ich das (des immerhin knapp 50-jährigen Sinatra) für das beeindruckendste.
Andreas
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“Every song this man sings, in essence, is a four minute movie.” — Charlton Heston
Hallo zusammen. Ich finde es immer schön, wenn auch mal provokante Themen eröffnet werden. In diesem Fall halte ich aus der Diskussion weitgehend heraus, weil ich die Frage "ob Sinatra singen" konnte, für irrelevant halte.
Mag sein, daß man bei Opernsängern zwischen "können" und nicht oder weniger können unterscheiden kann. Bei der Musik, die Sinatra machte, geht es aber nicht um Gesangstechnik und Stimmlage, sondern um Vermittlung von Emotionen. Singen heißt nicht technisch ideale Töne zu erzeugen, sondern anderen Menschen ein Lied näher zu bringen und sie emotional zu erreichen. Das kann auch ohne gesangliche Perfektion passieren, in manchen Fällen ist diese sogar hinderlich, weil sie da Lied zu steril wirken läßt.
Man denke nur an die furchtbare "My Way"-Fassung von Pavarotti. Pavarotti hat hier offenbar gar nicht verstanden, worum es in dem Lied geht. Da lob ich mir Sinatras Live-Fassung in Fukuoko, Japan 1994. Die berührt mich 1000 mal mehr.
Marcus
Thank you Frank.... Voice Of Our Time, A Voice For All Time Francis Albert Sinatra 1915-1998
Heute beginnt der Rest Deines Lebens ... Jetzt oder nie - und nicht irgendwann. Schau auf Dein Ziel. Kein Traum ist vergebens. Heut´ fängt die Zukunft an.
Interessantes Thema - ich schließe mich den Vorrednern weitestgehend an. Sinatra war nicht der größte Sänger im technischen Sinn, aber sicher einer der größten Interpreten des Great American Songbook. Marcus hat den Unterschied gut beschrieben.
Ich glaube auch, dass seine Stimme empfindlich für Überanstrengung war, außerdem hat er ihr mit Nikotin und Alkohol reichlich zugesetzt. Der größte Niedergang geschieht hier nach dem Retirement, insbesondere in den hohen Lagen wirkt das mitunter sehr gequält. Kurioserweise hat er im Alter dann aber fast mehr Probleme im unteren Bereich gehabt, da klang seine Stimme am Ende wirklich wie Sandpapier.
Es kommt darauf an, was man möchte, denn technisch stets einwandfreie Sänger, die in der Lage sind, den Hörer in diesem Ausmaß emotional zu packen, wie es Sinatra vermochte, die sind wirklich rar gesät.
Tim
Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, - gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, - und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
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